Einfachheit


Kurz vorab der zeitlich relevante Punkt, weil Sommerwochenenden sich ja immer so schnell füllen: Vom 7. bis zum 9. Juni findet unser erstes Schreibwochenende statt, und du bist sehr herzlich eingeladen, mit uns ein neues Schreibprojekt zu entwickeln oder an einem vorhandenen weiter zu schreiben (gerne auch an Website- oder Newslettertexten!).

Hier findest du alle Informationen zum Schreibwochenende und kannst deinen Platz buchen (oder dich für ein Stipendium bewerben).

Das Thema Zugänglichkeit, worüber ich im letzten Brief geschrieben habe, begleitet mich weiterhin.

Letzte Woche habe ich zum Beispiel viel Zeit mit meinem Patenkind verbracht. Dabei tauchte das Thema Zugänglichkeit über Fragen von Kinderfreundlichkeit auf:

Wann ist ein Raum für Kinder zugänglich? Wann ist er „für sie gemacht“, wann sind sie einfach willkommen? Was für Hinweise brauche ich in einer Veranstaltungsankündigung, um dorthin kleine Kinder mit zu nehmen? Wann ist ein Raum für manche Menschen nicht mehr zugänglich, wenn dort (zu viele) Kinder sich aufhalten, und diese Kinder zum Beispiel sehr laut sind? Wann ist ein Raum, der kinderfreundlich ist, auf einmal auch für andere Menschen zugänglicher? Zum Beispiel weil dann bei einer Veranstaltung kein Alkohol ausgeschenkt wird, oder weil eine Geschichte einfacher und spielerischer erzählt wird, oder weil es Begleitmaterial und Ausprobier-Impulse zu einer Ausstellung gibt?

In meinem Kompost habe ich diese Überlegungen eine Zugänglichkeitslinse genannt: Ein Blickwinkel, den ich testweise einnehmen kann, um zu sehen, welche Türen ich mit welchen Bedingungen für wen öffne und welche ich für wen schließe.

Denn wir sehen so oft gar nicht, welche Tür für wen zu schwer ist.

Zugänglichkeit bleibt so sehr Aushandlung, wird nie ein erreichtes, abgehaktes Ziel sein.

In der letzten Telko haben wir viel über diese Aushandlung gesprochen.

Zum Beispiel: Wenn ich für manche eine Tür aufmache, muss ich sie vielleicht für andere schließen, damit die Menschen im Raum sich weiterhin sicher fühlen können. Und manchmal ist es sogar sicherer, eine Tür geschlossen zu halten, als sie aufzureißen, denn sonst lade ich vielleicht Menschen mit Themen und Bedürfnissen ein, denen ich (noch) nicht gerecht werden kann.

Wir sprachen über die Herausforderungen, die der Versuch von Zugänglichkeit mit sich bringen kann und über verschiedene Lösungsansätze dafür. Manche definieren vorab ganz genaue Verhaltensleitplanken für die Gruppen, mit denen sie arbeiten, andere versuchen, diese Leitplanken nonverbal zu setzen. Andere vertrauen darauf, dass Menschen mitbringen, was sie brauchen, und dass eine Gruppe spontan auf alles reagieren kann, was eventuell auftaucht.

Es tauchte in den Telko-Gesprächen auch die individuelle Ebene auf: Was brauche ich, um mein Herz zugänglich zu halten, also offen und weich, in der Arbeit mit meinen Klient:innen oder Kund:innen?

Was eine Ebene ist, die ich auch super spannend finde.

Und gleichzeitig finde ich es so wichtig, die anderen Ebenen nicht aus dem Blick zu verlieren. Nicht ganz in den Individualismus zu rutschen, sondern auch weiterhin zu beobachten, welche strukturellen Fragen in dem Thema Zugänglichkeit stecken.

Genau hinzuschauen, was für wen Barrieren sind und welche Barrieren ich sinnvollerweise in meiner eigenen Arbeit entfernen kann.

Und hinzuschauen, wo mir vielleicht meine eigenen Privilegien die Sicht verbauen, so dass ich nicht mehr gut erkennen kann, dass ich selber einen Zugang oder mehrere Zugänge habe, die anderen Menschen verschlossen bleiben.

Also vielleicht: mit offenem Herz bei mir bleiben und gleichzeitig sehr aktiv üben, mit scharfen Augen zu erkennen, wer durch was behindert wird und was ich daran ändern kann.

Also vielleicht: üben, Verantwortung zu übernehmen. Für mich selber und für die Strukturen, die ich mit gestalte und mit nutze.

Mich beschäftigt außerdem immer mehr die sprachliche Ebene von Zugänglichkeit, also die Fragen danach, wie einfach und klar unsere Sprache sein kann, und dabei gleichzeitig noch die Komplexität enthalten kann, die ich mir und der Welt zutrauen möchte und zutrauen muss.

Fragen an literarische Sprache: Was glauben wir in Vereinfachung zu verlieren, was verlieren wir tatsächlich, was ist komplex und muss es bleiben, was kann schlicht genau so stark sein? Wann schreibe ich schön, einfach nur um schön zu schreiben?

Fragen an Funktionstexte, also zum Beispiel an Website- oder Newslettertexte: Welche Fachbegriffe brauchen wir wirklich? Welche blumigen Schwammigkeiten brauchen wir wirklich? Überdecken wir manchmal mit bestimmten Formen von Sprache, dass wir uns unsicher sind mit etwas? Dass wir selber noch nicht ganz klar sind?

Fragen an Leichte und Einfache Sprache, also Formen von Sprache, die sich zum Beispiel an Menschen mit Lernschwierigkeiten wenden: Wie kleinteilig brechen wir unsere Sachverhalte auf, damit ihnen gut gefolgt werden kann? Was sind die Kleinstbausteine, aus denen sich unser Gedankengang zusammensetzt? Wie klar kann ich mich verorten und positionieren und greifbar machen, ohne dass der Text eine Karikatur meiner Idee wird?

Für einen Website-Auftrag darf ich gerade vorhandene Texte in Leichte Sprache übertragen, oder zumindest den Prozess beginnen.

(Das neue Fluter Heft beschäftigt sich übrigens mit Barrieren, und darin gibt es auch eine schöne Erklärung zu Leichter Sprache.)

Leichte Sprache klingt oft erstmal etwas holprig, sie folgt einem anderen Fluss, sie holt anders aus, sie wiederholt einiges.

Sie macht beim Schreiben richtig Fragen auf, und damit richtig viel Arbeit, und es ist eine der spannendsten sprachlichen Aufgaben, die ich mir in letzter Zeit gestellt habe, dieses Runterbrechen in ganz kleine, ganz klare Bestandteile.

Ich merke, dass mir diese Aufgabe einen anderen Zugang verschafft zu bestimmten Themen: Um die Gedankengänge so einfach, wie es hier benötigt wird, ausdrücken zu können, muss ich die Themen extrem tief durchdrungen haben. Viel tiefer, als wenn ich drumrumschwurbeln und mit großen abstrakten Begriffen um mich werfen darf (wozu ich manchmal reflexhaft neige, vor allem, wenn ich mir beim Schreiben unsicher bin).

Wie würde deine Website in Leichter Sprache klingen?

Immer wieder die Frage: Kann ich das auch einfacher schreiben? Wo kommt der Zauber eigentlich her?

Und: Können wir Lyrik in Leichter Sprache schreiben?

Mit ganz schlichten Grüßen

PS. Beim Schreibwochenende (wie in all unseren Angeboten) spielen wir mit ALLEM; mit dem opulenten, reichhaltigen, fantasievollen Schreiben genau so wie mit dem schlichten, vereinfachten, ganz klaren Schreiben und allem dazwischen, darüber, darunter – uns geht es nicht darum, dir eine bestimmte Art zu Schreiben überzustülpen, sondern sehr grundsätzlich darum, uns alle als Schreibende in Bewegung zu halten, in der Experimentierfreude und der Schreiblust, versehen mit einem großen Repertoire an Ideen zum Ausprobieren 💖

TERMINE

Co-Working: 13. Mai

Das nächste Co-Working ist nächsten Montag, und es sind noch einige Plätze frei! Das ist ein Tag zur Arbeit an und mit deiner Website, mit professioneller Unterstützung von Kathrin und mir zu Technik, Texten, Strategie und Gestaltung – plus motivierendem Austausch in einer kleinen Gruppe von anderen Selbständigen.

Details zum Co-Working

Wir-sind-nicht-alleine-Telko: 29. Mai

Eine kostenlose Austauschrunde per Zoom, bei der wir über die großen und kleinen Themen der Selbständigkeit sprechen und du tolle neue Menschen kennenlernen kannst. Der Link dafür kommt per Brief kurz davor.

Details zur Telko

Sommer-Schreibwochenende: 7. bis 9. Juni
Herbst-Schreibwochenende: 25. bis 27. Oktober

Ein Wochenende lang gemeinsam schreiben (und nicht-schreiben), forschen, über Texte sprechen, das Schreiben ins eigene Leben hineinweben. Ein Mini-Schreibmonat mit uns sozusagen :)

Hier findest du mehr Infos zu den Schreibwochenenden.

Schreib-Yoga-Retreat auf Rügen: 16. bis 22. September

Mitte September darf ich bei einem Yoga-Retreat an der Ostsee Schreib-Begleitung anbieten: Eine ganze Woche lang Yoga, Meer, Schreibimpulse, Sauna, leckeres Essen und Wohnen in einem schönen alten Kornspeicher. Ich freue mich sehr darauf, und es gibt im Moment noch ein paar freie Plätze.

Hier findest du alle weiteren Informationen dazu!

diese Dunkelheit mitten im Grünen
dieses Tun und Stillsitzen
dieses alles ist
der Beweis für etwas anderes

– Nicolas Born

Die gute Website

Für Haltung, gegen Perfektionismus. E-Mail ist unsere liebste Art, digital zu kommunizieren. Mails können persönlich und direkt und unaufdringlich sein, mehr Unterhaltung zu zweit als Megafon. Dadurch ergeben sich so schöne und tiefe Dialoge, und dadurch wiederum Beziehungen. Diese „E-Mail-Briefe“ sind unsere Einladung an dich, an diesem Dialog teilzunehmen. An dem Versuch, über diese Bildschirme einen echten Austausch zu wagen.

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